„Ich habe Dich am Weiher gesehen,
du hattest Tränen in den Augen stehen,
standest dort in deinem schönsten Kleid,
sie sprachen von tiefer Trauer und Leid..."
Weiter
kam
der
Barde
nicht,
ein
schwerer
Bierkrug
aus
gebranntem
Ton
flog
knapp
an
seinem
Kopf
vorbei.
Ihm
waren
die
letzten
Worte
im
Hals
stecken
geblieben.
Wie
erstarrt
stand
er
auf
dem
Podest
und
blickte
in
das
erhitzte
Gesicht
des
Krugwerfers.
„Hört
auf!"
schrie
er
dem
Barden
entgegen
und
erhob
sich
schwerfällig.
An
seinem
Gang
konnte
man
unschwer
erkennen,
dass
er etliche Krüge Bier bereits geleert haben musste. Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter.
„Setzt
euch
wieder
hin
und
lasst
den
Barden
weiter
sprechen!"
befahl
ihm
der
Wirt.
Wütend
riss
sich
der
Betrunkene
von
der
Hand los.
„Ich werde dieser Versschleuder das Lügenmaul stopfen..." grollte er und stürmte nach vorne.
Der
Wirt
versuchte
dem
Bardenhasser
daran
zu
hindern,
bekam
ihn
aber
nicht
mehr
an
seinem
Leinenhemd
zu
fassen.
Sollte
er hinter ihm herlaufen oder abwarten?
„Du
hast
mich
beobachtet!"
Der
Betrunkene
hatte
den
Barden
fest
am
Flachskragen
seines
blauen
Kostüms
gepackt
und
zu
sich hingezogen.
Schwerer,
bierverseuchter
Atem
schlug
dem
Barden
entgegen,
der
scheinbar
überhaupt
nicht
wusste,
warum
dieser
Gast
so
empfindlich auf sein lyrisches Gedicht reagierte.
„Dieses
Gedicht
stammt
noch
nicht
einmal
von
MIR,
ich
habe
es
vor
einiger
Zeit
in
Zyr
gehört.
Vorgetragen
von
einer
jungen,
hübschen Bardin. Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt..." erwiderte er sichtlich eingeschüchtert.
„Lasst den Mann los!" mischte sich eine weibliche Stimme ein.
„Halt’s
Maul,
Weib!
Scher
dich
in
deine
Küche
und
kümmere
dich
um
deine
schreienden
Bälger!"
schnaubte
der
Gast
verächtlich.
„Das
werde
ich
nicht..."
erwiderte
die
Stimme
kühl
und
ruhig,
„aber
ihr
werdet
den
Verschmieder
jetzt
loslassen
und
euch
wieder hinsetzen!"
„Frauenzimmer!" höhnte der Betrunkene. „Scher dich hinter den warmen Ofen, du räudiges Straßenweib!"
„Ihr habt zuviel getrunken!" kommentierte die Frau, „Setzt euch jetzt hin, sonst..."
Der
Betrunkene
ließ
den
Barden
verächtlich
los.
„Ich
werde
mich
erst
dieser
Weibsperson
annehmen!"
erklärte
er
lallend,
„heb
deinen Rock und mach die Beine breit!" befahl er ihr. Mit einem lüsternen Blick wandte er sich zu der Frau zu.
Sie
schaute
dem
Mann
direkt
in
die
Augen.
Es
war
nicht
schwer
zu
erkennen,
dass
der
Mann
viel
zu
viel
Starkbier
getrunken
hatte.
Seine
langen,
schwarzen
Haare
klebten
an
seinem
verschwitzten,
dicken
Gesicht.
Direkt
unter
seinen
blutunterlaufenen
Augen
thronte
eine
dicke,
rote
Knollennase.
Mit
einem
abfälligen
Grinsen
öffnete
er
den
Mund,
in
dem
schwarze,
abgebrochene
Zahnstümpfe
wie
windschiefe
Bäume
standen.
„Los
leg
dich
hin!"
befahl
er
ihr
mit
schmieriger
Stimme.
„Wir
werden
den
Leuten hier eine Belustigung besonderer Art bieten!"
„Das denke ich nicht!" widersprach ihm die junge Frau mit sachlicher Stimme. „Setzt euch einfach hin oder geht nach Hause!"
Die Gäste im Wirtshaus starrten gespannt auf den Betrunkenen und die junge, mutige Frau.
Der
Betrunkene
wankte
ein
wenig.
Wie
konnte
es
eine
Frau
nur
wagen,
ihm
zu
widersprechen?
Dafür
sollte
sie
bezahlen.
Seine
Hände
schossen
nach
vorne,
um
die
Frau
an
den
Armen
zu
packen,
doch
sie
griffen
ins
Leere.
Mit
einer
raschen,
fließenden
Bewegung
war
die
Frau
zur
Seite
ausgewichen
und
schaute
den
Betrunkenen
angriffslustig
an.
„Wenn
ihr
mich
fangen
wollt,
müsst ihr schon etwas schneller sein!" meinte sie mit verschmitzter Stimme.
„Na warte!" grollte der Betrunkene und stürzte auf die Frau zu.
Behende
wie
ein
flinkes
Eichhörnchen
sprang
die
Frau
auf
den
nächstbesten
Tisch,
unterhalb
der
Bühne,
zu.
Mit
hochrotem
Kopf
und
einer
zornigen
Miene
hechtete
der
Betrunkene
hinter
ihr
her.
Als
seine
Füße
den
Tisch
erreichten,
war
die
Frau
bereits
auf
den
nächsten
Tisch
gehüpft
und
lockte
den
Betrunkenen
mit
weiteren
Sticheleien.
Seine
Arme
ruderten
wild
hin
und
her,
schwerfällig
suchte
der
Volltrunkene
nach
seinem
Gleichgewicht.
Wie
ein
wankender
Riese
bog
er
sich
schwerfällig
nach
links
und rechts, bis er endgültig die Balance verlor und wie ein nasser Mehlsack vom Tisch stürzte.
Mit
stummen
Blicken
verfolgten
die
Gäste
der
Schenke
den
Fall
des
betrunkenen
Mannes.
Mit
einem
lauten,
klatschenden
Geräusch
schlug
der
Mann
auf
dem
schmutzigen
Holzboden
auf
und
blieb
regungslos
liegen.
Für
einen
kurzen
Moment
herrschte
absolute
Stille
im
Wirtshaus,
dann
brach
ein
lauter
Jubel
aus
und
der
mutigen
Frau
wurde
begeistert
applaudiert,
sogar Kupfer- und Silbermünzen regneten auf sie nieder.
Die junge Frau badete sichtlich erfreut in ihrem Applaus und klaubte nebenbei die Münzen vom Boden auf.
Schließlich zerschnitt die melodische Stimme des Barden, den abebbenden Applaus.
„Habt Dank, junge Frau,
durch euch, ist mein Auge nicht blau,
nun kann ich weiter singen,
und den Leuten Unterhaltung bringen..."
Die Frau bedankte sich noch einmal herzlich bei den Gästen und verließ sichtlich zufrieden das Wirtshaus.
Es war Nacht geworden. Am Waldesrand flackerte ein schwaches Lagerfeuer und beleuchtete eine kleine Gruppe.
„Nächstes Mal fällst Du vom Tisch und ich spiele den Barden!" murmelte der Mann mit der Knollennase.
„Du kannst doch gar nicht dichten!" widersprach der Barde.
„Aber
ich!"
entgegnete
die
junge
Frau.
„Morgen
spiele
ich
eine
Bardin,
die
von
ZWEI
Betrunkenen
belästigt
wird,
dann
werden
die Leute wohl noch mehr spendieren!" Mit zufriedener Miene ließ sie die Geldstücke in ihrem Lederbeutel klimpern.
„Aber
ich
falle
morgen
nicht
vom
Tisch!"
warf
der
Knollennasenmann
ein.
„Mein
Schädel
brummt
immer
noch,
wie
ein
aufgebrachter Bienenstock!"
„Meinetwegen!" grinste der Barde, „dann schlage ich dich im Kampf aus Versehen nieder?"
„Mein Kinn schmerzt noch immer von vorgestern. Kannst du dir nicht mal etwas anderes einfallen lassen?"
„Mmh", grübelte der Dichter, „nun gut. Morgen kannst du dich ausruhen, was meinst du Yasmin?"
„Gut Degoran, Rufus macht morgen Pause und du fällst vom Tisch!"
Rufus nickte und schaute die anderen beiden zufrieden an.
Degoran betrachtete seine Spießgesellen für einen kleinen Moment nachdenklich, „Warum will die Welt nur betrogen werden?"
ENDE
Am Weiher